Veröffentlicht: 07.06.2020. Rubrik: Unsortiert
Schostakowitsch
René war grade mal 16 Monate alt, als er anfing WDR 3 zu hören. Nicht dass er ein bestimmtes Programm bevorzugt hätte; es war mehr die Auseinandersetzung mit der modernen Technik, die ihn reizte. Es waren die vielen Schalter und Hebel, die glitzernden Knöpfe und magischen Tasten, die ihm immer wieder zuriefen: Drehmich! Drückmich! Machmichan!
René war gut erzogen. Also spielte er weiter mit Holztraktor und Ladekrahn, aber zwischendurch schielte er verstohlen zu dem schwarzen Zauberkasten hinüber, der so viele komische Töne in seinem Bauch hatte.
Und eines Tages, da half alle gute Erziehung nichts, machte er sich, mit allen Respekt, über den geheimnisvollen Kasten her. Er verfolgte keinen genauen Plan. Sein kleinen Finger fetzten über die Tastatur, hantierten und hebelten, schalteten ein und aus, drückten und drehten was das Zeug hielt...und das alte Kofferradio quietschte vor Vergnügen.Wann hatte es so etwas schon mal erlebt?
Renés Wangen röteten sich vor Eifer, seine Augen hatten den feuchten Glanz früher Entdecker, und just in dem Augenblick da er WDR 3 glasklar herein bekam, verlor er das Gleichgewicht. Schon im Fallen begriffen, hielt er sich mit der rechten Hand verzweifelt am Sendereinstellknopf fest und bei den Klängen einer der legendären Walzer von Schostakowitsch, gingen beide zu Boden.
Passiert ist weiter nichts, da es sich in beiden Fällen um deutsche Wertarbeit handelte.
Nur mit klassischer Musik hatte er es nicht mehr so.