Veröffentlicht: 20.03.2020. Rubrik: Unsortiert
Sprachbarrieren
Sprachbarrieren
Am Ende der Studienzeit ein erster Aufenthalt in Paris. Welch eine schöne Stadt!
In den Achzigern noch Usus: In Frankreich spricht man fränzosisch, ausnahmslos, englisch sprechen ist schlichtweg verpönt. Niemand versteht, geschweige denn spricht englisch.Wenn überhaupt nur im Ernstfall, im allergrößten Notfall.
Meine Studienfreundin Kristin und ich weilten also in einem wunderschönen Restaurant an der Champs Elysee, genossen den Flair, das Essen, den Wein und ... vermieden jegliche Art der Konversation mit "Einheimischen". Sie verstand und sprach kein einziges Wort dieser wunderschönen Sprache, ich besaß nur rudimentäre (!) Kenntnisse.
Wir saßen also bei Wein und Zigaretten im (!) Lokal. Im Lokal, damals noch normal und erlaubt. Irgendwann steckte ich mir die erste Fluppe an und stellte erschreckenderweise fest, dass sich nirgendwo ein Aschenbecher in erreichbarer Nähe befand und ich mich verbal äußern müsste. Ich hob zaghaft die Hand und rief mit fester Stimme: "Garcon!" Ein netter, junger, gutaussehender Franzose näherte sich dem Tisch und ich äußerte mit vorgetäuschter Selbstsicherheit den Wunsch: "Un ascenseur, sìl vouz plait". Er schaute mich ein wenig verdutzt an uns zog von dannen.
In freudiger Erwartung genoss ich Zug um Zug die Zigarette, nippte am Wein und führte die Gespräche mit Kristin fort. Irgendwann stellte ich fest, dass das erste "Abaschen" bevorstand, der Kellner sich aber noch nicht mit meinem ersehnten Aschenbecher hatte blicken lassen.
Ich missbrauchte die nahgelegene Pflanze.
Dann tauchte er wieder auf... allerdings... ohne Aschenbecher. Er hatte ihn sicherlich vergessen bei diesem turbulenten Betrieb und somit fühlte ich mich genötigt ein weiteres mal einen Aschenbecher zu ordern: "Un ascenseur, sìl vouz plait". Ich vernahm noch ein leichtes Kopfschütteln bevor er sich auf den Weg machte...
Aber auch diese Aufforderung endete erfolglos. Resigniert aschte ich weiterhin in den Blumenkübel.
Plötzlich stand er ganz unerwartet an unserem Tisch, lächelte mich an und sagte: "Allons-y", nahm meine Hand und forderte mich auf ihm zu folgen. Nun war ich daran verdutzt zu schauen...
Nachfragen gestaltete sich aufgrund meines geringfügigen Vokabulars recht schwierig. Ich stand auf und folgte ihm. Er betrat mit mir die Straße, wendete sich nach links und ging geradwegs auf ein Hotel in unmittelbarer Nähe zu...
Ein ungutes Gefühl überfiel mich. Wir betraten das Foyer, er schritt selbsicher voran, blieb vor den Aufzügen stehen, zeigte auf einen Fahrstuhl und sagte lächelnd: "Un ascenseur, si`l vouz plait!"
Ich verstand... nichts. Er wartete noch einen Moment, dann ging er zu einem Tisch, schnappte sich einen Aschenbecher, kam erneut auf mich zu und betonte... langsam und sehr akzentuiert: "UN C..E...N...D...R...I...E...R".
Anschließend schmiss er sich vor Lachen fast auf den Boden... Humor hatte er ja... nahm erneut meine Hand und führte mich zurück ins benachbarte Lokal.
Kristin wartete schon unruhig und freute sich mich nach so kurzer Zeit wiederzusehen. Ich setzte mich stumm zu ihr und nachdem ich ihr unseren kurzen Ausflug geschildert hatte krümmte auch sie sich vor Lachen. Ich wollte nur noch bezahlen und nach Hause... eine weitere Zigarette ersparte ich mir.
Noch heute bricht mir regelmäßig der Angstschweiß aus wenn ich in Frankreich nach einem Aschenbecher verlange. Diese beiden Worte sind in meinem Stammhirn unabwendbar und tragischerweise miteinander verbunden, auf immer und ewig.