Veröffentlicht: 22.12.2019. Rubrik: Märchenhaftes
Es war einmal...
Es war einmal eine kleine Stadt, in der es Menschen gab, die anders lebten als im übrigen Teil der Welt. Sie sorgten dafür, dass sie keiner fand, was eigentlich schwierig sein müsste, da es heutzutage kaum möglich ist, unbemerkt von anderen Menschen zu leben. Den Stadtbewohner/-innen kam jedoch der Umstand zu Hilfe, dass es sich um unauffällige Menschen handelte, um Menschen, die in der übrigen Welt kaum Beachtung fanden.
Sie waren eher introvertiert, dachten vorher nach, bevor sie etwas sagten oder gar handelten und kümmerten sich um ihre Mitmenschen, denen es nicht so gut ging wie ihnen. Das war so ungewöhnlich, dass die Menschen, die etwas von dieser Stadt hörten, der Meinung waren, dass ihnen Unsinn erzählt würde. ,,Das ist doch schon wieder eins von diesen Fake news“, riefen sie dann empört. ,,Was wollen die einem denn noch für einen Bären aufbinden?“ Und so blieben die Menschen dieser Stadt meistens unter sich.
Wenn sich doch ein Mann oder eine Frau in ihre Stadt verirrte und gerne bleiben wollte, dann fragten sie nach ihren Motiven und wenn diese ihnen nachvollziehbar erschienen, dann besorgten sie ihnen eine Unterkunft und eine Arbeit unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Ausrichtung. Auch so etwas wie Korruption kannten sie nicht. Sie gingen ehrlich miteinander um und betrogen sich nicht gegenseitig.
Allerdings mussten die Fremden auch akzeptieren, dass ihnen keine falschen Komplimente gemacht wurden. Wenn sie jemanden nach ihrer Meinung fragten, dann bekamen sie diese auch zu hören. Und wenn man sich nicht mochte, dann ging man sich aus dem Weg statt sich mit einem falschen Lächeln gegenüberzustehen und so zu tun, als sei man bestens miteinander befreundet.
Die Stadt wurde von einer einer kleinen Gruppe von Menschen regiert, die jedes Jahr in ihrem Amt bestätigt oder abgewählt wurde, je nachdem, wie zufrieden die Menschen mit ihrer Arbeit waren.
Bei allem, was diese Menschen machten, wurde auf Nachhaltigkeit geachtet und die Böden wurden nicht mit Pflanzenschutzmitteln kaputtgemacht. Im Sommer surrten die Insekten vergnügt über die Wiesen, die naturbelassen waren und auf denen sich die Bewohner/innen der Stadt im Sommer gerne zu Picknicks und Spielen trafen. Bienensterben war hier ein Fremdwort und auch die Schmetterlinge tummelten sich in den schönsten Farben auf den Blumen, die prächtig blühten.
Es gab natürlich auch Menschen, die nicht damit umgehen konnten, dass hier die vernünftigen Menschen regierten und nicht die Prahler/innen, die mehr Schein als Sein verkörperten. Sie versuchten, mit Worthülsen ihre Mitmenschen für sich einzunehmen und die jeweils in der Stadt amtierende Gruppe von Politiker/innen schlecht zu machen. Da die Bevölkerung jedoch politisch aufgeklärt war, weil die Erziehung zu einem mündigen Menschen eine große Rolle spielte in der Schule, ging sie diesen Blender/innen nicht auf den Leim. Diese waren dann oft ärgerlich und versuchten ihren Mitmenschen einzureden, dass diese langweilig seien. Doch die meisten Menschen lachten dann und verwiesen auf den Rest der Welt, in der es doch bestimmt viel spannender sei. Dort hätten die Angeber/innen sicher mehr Spaß als bei ihnen in der Stadt.
Diese packten dann irgendwann ihre Koffer und verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Das war doch ärgerlich, weil die BewohnerInnen befürchteten, dass sie irgendwann verraten würden und neugierige Menschen in ihre Stadt kämen. Bisher war dies jedoch zum Glück ausgeblieben. Manchmal hörte man dann noch von dem einen oder anderen von den Ausgewanderten. Staunend vernahmen die Stadtbewohner/innen dann, dass die größten Blender/innen erfolgreiche Politiker/innen oder Geschäftsleute geworden waren und wunderten sich über die Naivität der Menschen in anderen Teilen der Welt.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie in ihrer Stadt noch heute.